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Greven, St. Josef; Reckenfeld, St. Franziskus (5./6. April)

5. Fastensonntag 2025

 

Einführung

Der gute Anfang Gottes.
Uns daran zu freuen, dazu kommen wir sonntags zusammen.
Gott, der beginnt. Gott, der vollendet:  Er oder sie,
Gott begegnet uns in jedem guten Einfall, in jedem Werk, das gelungen ist.
All das können wir auch heute wieder zusammen feiern.
Hoffentlich wird dabei unser Vertrauen wieder aufleben,
und unser guter Wille ermutigt!

Gott, dein Anfangen! Ewiger, dein Vollenden!
Ihm vertrauen wir uns von neuem an.
Auch mit unseren Enttäuschungen, mit unserm Versagen.
Sogar mit all dem Bösen, auf das wir Menschen uns einlassen.

Herr, erbarme dich unser!

 

Predigt

(Jesaja 43,16-21; Johannes 8,1-11)

In der Wüste, auf dem langen, schweren Weg zum Gelobten Land – da hat Gott sein Volk vor die Entscheidung gestellt: “Den Himmel und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen” (Deuteronomium 30,19).

Den Tod wählen – dieser Versuchung zu widerstehen, ist gar nicht so einfach. Das zeigt jeder Krieg, und nicht nur er. Aber den Segen wählen, Leben und Zukunft – müsste nicht wenigstens das selbstverständlich sein? Ach nein, auch das ist schwieriger, als uns lieb ist. Das zeigt auch die heutige Geschichte aus dem Evangelium. Da stellen Menschen Jesus eine Falle, hinterlistig, bösartig.

Den Anderen in Verlegenheit bringen, ihn straucheln und scheitern lassen – da kennen auch wir uns aus: Als Täter, als Zuschauer, und nicht wenige von uns eben auch als Opfer. Aber wer Vorwände sucht, um dem Andern zu schaden, ihn auszuschalten – schadet der damit nicht zugleich auch sich selbst?

Nun, der Angriff auf Jesus, dieser Angriff, hat ihn verfehlt. Er kann ihm ausweichen. “Er bückt sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde” (Johannes 8,6b).

Von hier aus, von der Erde, antwortet er, bückt sich, schreibt mit dem Finger auf sie. Bei ihr sucht seine sprechende Gebärde Zuflucht – nicht einmal, sondern zweimal. Zuerst geschieht das, bevor er auf die Fangfrage eingeht. Und dann, nach den Worten seiner Stellungnahme, in der Stille, die er daraufhin entstehen lässt. Dieser Rahmen, schweigendes Schreiben auf die Erde, umgibt, trägt seine Antwort. Die lautet: “Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein”.

Jesus schreibt, schweigend. Das tut er an keiner anderen Stelle im Neuen Testament. Nur diese Geschichte zeigt ihn so: Er bückt sich zur Erde, schreibt mit dem Finger. Wir kennen keine andere schriftliche Äußerung Jesu. Und auch den Inhalt dieser einzigen, einzigartigen Notiz im Staub kennen wir nicht. Ob jemand von den Zuschauerinnen und Zuschauern die Zeichen auf der Erde erkennen, sie deuten konnte? Aber darum geht es ja nicht. Diese Buchstaben entziffern, wenn es denn Buchstaben waren – das ist zum Verstehen nicht nötig. Die Geste spricht für sich selbst.

“Er bückt sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde”: Da ist das Todesurteil aufgehoben. Der Freispruch, mit dem Finger auf die Erde geschrieben, tritt an seine Stelle. 

Schreiben. Bisher meinte ich, das längst zu können, seit Jahrzehnten. Jetzt aber, wenn ich Jesus schreiben sehe, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Denn schreiben können wie er, schreiben und damit Leben retten: Ich wüsste nicht, dass mir so etwas schon einmal gelungen wäre.

Immerhin, Paulus schreibt: Wir können Brief Christi sein (2 Korinther 3,2-3). Was meint er wohl damit? Vielleicht dies: Wir können so leben und handeln, dass Arme, Gefangene, Unterdrückte aufhorchen und aufatmen. Sie werden gekleidet, genährt, untergebracht, befreit zum Leben. Dazu tun Menschen sich zusammen in der Nachfolge, der Nachfolge Jesu.

Ein erster Schritt auf diesem neuen Weg kann sein – überraschend genug! – etwas nicht tun, nicht mehr – weggehen, umkehren wie die Schriftgelehrten im Evangelium. „Einer nach dem andern ging fort“, erzählt unsere Geschichte „zuerst die Ältesten“. Sie wenden sich ab, lassen das falsche Leben hinter sich. Gekommen waren sie mit einem ganz anderen Plan: Sie wollten die Frau aus dem Weg räumen, und Jesus auch. Sie fühlten sich dazu verpflichtet, das hielten sie für richtig, nötig sogar, um Gottes willen. Jetzt aber geschieht das Unerwartete, das Unvorstellbare. Wie Schuppen fällt es ihnen von den Augen. Sie erkennen: Dieses Urteil, das wir gefällt haben: Nein, wir werden es nicht vollstrecken. Gottseidank. Und in dieser Umkehr kommt ein anderer Freispruch auf sie zu: Ihr eigener.

Die bedrohte Frau, gerade noch in Todesangst, steht in der Mitte, allein mit Jesus. Gerettet, nur er ist noch bei ihr, sieht sie, wie er sich aufrichtet, hört ihn fragen: “Wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?” Sie kann antworten: “Niemand, Herr.” Und er, der zugleich letzter und erster ist, schließt sich den anderen an: “Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!”

Nicht nur dieser Befreiten konnte Jesus sagen: „Geh!“. Sein Hinweis auf diesen Ausweg gilt allen, auch uns. Zusammen können wir ihn entgegennehmen und teilen, weitergeben. Umkehr, Umkehren zur Barmherzigkeit unseres Gottes – dann kann das Wunder geschehen. In einer Situation, ganz und gar verfahren, denkt jemand dann nicht nur: Es muss doch eine Möglichkeit geben – sondern er oder sie spürt sogar: Da ist sie ja schon, die andere Möglichkeit. Ich kann sie ergreifen. Und das tue ich auch. Wie konnte ich nur denken: Es gibt sie gar nicht mehr, die Wende zum Guten?

Ja, all die schrecklichen Nachrichten, die uns Tag für Tag mutlos machen und lähmen – richtig schlimm werden sie erst, wenn sie uns den Blick verstellen. Dann verhindern sie, dass uns die Augen aufgehen für all die guten Einfälle im Kleinen wie im Großen. Dabei gibt es sie doch, sie umgeben uns, wie Sand am Meer.

Zwar ist es mir noch nie geglückt, zehn Sätze aufzuschreiben, so schön, wie Johannes das in seinem Evangelium gelungen ist, am Anfang des achten Kapitels. Jesus und die Ehebrecherin – beneidenswert, wie er diese Geschichte erzählt. Aber das ist ja auch mir zugutegekommen. Ich lernte sie nicht nur kennen, diese Geschichte. Ich durfte sie vorlesen, so oft schon, und heute wieder. Und jedes Mal konnte ich spüren: Das tut gut. Nicht nur mir.

Wie der erste Sonnenstrahl, der am Morgen auf die Blume fällt, die gerade aufblühen möchte – so lässt diese Geschichte Gottes Barmherzigkeit in uns Menschen aufleuchten, und wir spüren die Glut ihrer Lebenskraft neu in uns, ihre Wärme.

 

Friedensgruß

Unser Tun und Lassen, unser Leben kann zur guten Nachricht werden,
zur Botschaft, in der Gottes Friede uns erfüllt, verwandelt und erneuert.

 

Schlusswort

Der Mut. Himmelstürmend kann er daherkommen. Aber auch anders.
Ganz besonders schön ist der Mut, wenn er in sich selbst ruht.
Denn dann wurde ihm geschenkt, Sanftmut zu sein.
Da zeigt sich: Mut ist nicht nur der Mut.
Mut kann zugleich auch Sanftmut sein: Die Sanftmut.

 

Heinz-Georg Surmund

 

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