"En een tijd om naar Nederland te gaan . . . "
Heinz-Georg Surmund, Arnhem/Münster
Unter dieses Motto habe ich 1989 meine Übersiedlung ins westliche Nachbarland gestellt. Im Herbst 2013 werde ich es nach 24 Jahren wieder verlassen. Ich freue mich über die Möglichkeit, hier etwas von diesem Ausflug zu erzählen; er ist etwas länger geraten und in vielfacher Hinsicht anders verlaufen, als ich und andere erwartet hatten. Obwohl meine anfängliche Begeisterung für Niederländisches mittlerweile verflogen ist, verlasse ich das Land sicher nicht, weil ich genug davon habe. Nein, es wird mir fehlen, ich werde viel vermissen. Glück-licherweise liegt Münster nahe an der Grenze, und das „Haus der Niederlande“ hinter der Lambertikirche kann ich demnächst zu Fuß erreichen. Domtoren, Utrecht
„Und allem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ (Hermann Hesse)
Schon in den 1960er Jahren, sicher aber in meiner Zeit als Studentenpfarrer in Münster (1977 - 1989) fand ich – wie viele damals – die Niederlande anziehend. Es gab an der anderen Seite der Grenze anregende Aufbrüche: Politisch-gesellschaftlich (stellvertretend nenne ich hier nur das Stichwort „Friedensbewegung“), aber auch theologisch und kirchlich. Katholischerseits brach sich beim Pastoralkonzil in Noordwijkerhout (1966 - 1970) eine Lebendigkeit Bahn, die Freund und Feind überraschte. Laien, Priester und Bischöfe fanden sich in Reformvorschlägen, die begeisterte Vorfreude, aber auch Entrüstung und Ablehnung hervorriefen. Der Vatikan reagierte recht bald mit durchgreifenden Gegenmaßnahmen. Kurz bevor Papst Johannes Paul II. im Jahr 1985 die Niederlande besuchte, schlossen sich in dem landesweiten Forum der „Acht-Mei-Beweging“ alle progressiven Initiativen zusammen, stützten und verstärkten sich gegenseitig in einem lockeren, aber entschiedenen Verbund von „Partizipanten“. „Het andere gezicht van de kerk, Das andere Gesicht der Kirche“ – von dieser Sehnsucht ließen sich Zehntausende anstecken; so entstand in diesen Jahren eine einzigartige, vielfältig-farbenfrohe Dynamik, getragen von großen und kleinen Gruppen: Ordensgemeinschaften, Aktions- und Gesprächskreisen, Basisgemeinden und -gemeinschaften. „Wenn ich das doch an Ort und Stelle miterleben und mit vollziehen könnte!“ – dieser Wunsch blieb zu meiner eigenen Überraschung nicht nur ein Traum. Obwohl niemand mich hingeschickt hatte und mir dort zunächst keine neue Aufgabe angeboten wurde – ich ging nach Utrecht. Viele, denen ich in Münster von meinem Vorhaben erzählte, ermutigten mich. Ein viel versprechendes neues Zuhause fand ich in der dortigen Dominikanischen Kommunität St. Andreas, Brigittenstraat 15; ab Herbst 1989 gehörte ich in unserm Giordano-Bruno-Haus zur Kerngruppe, fünf Frauen und fünf Männer, Laien und Ordensleute. Wir versuchten, ursprüngliche Ideale des Zusammenlebens in geistlicher Gemeinschaft wieder zu entdecken und neu zu interpretieren, in der Welt von heute und für sie. In unserm Miteinander und indem wir unser Haus gastfreundlich Einzelnen und Gruppen anboten, wollten wir einüben und verwirklichen, wofür wir uns mit vielen Verbündeten in Gesellschaft und Kirche einsetzten; im gemeinsamen Leben sollte sich zeigen, dass Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist (Jesaja 32,7); das wollten wir erfahren und uns daran freuen. Als ich 1995 nach Arnhem umzog, blieb ich weiterhin Mitglied der Kommunität – bis zu ihrer Aufhebung am 10. Februar 2007. Die „Acht-Mei-Beweging“ hatte sich schon im November 2003 aufgelöst. Sie hatte sich in der katholischen Kirche aus vielen Gründen nicht durchsetzen können. Aber schließlich war ähnlich wie im Giordano-Bruno-Haus auch dies unübersehbar: Der Funke sprang nicht über; in der nächsten Generation gab es so gut wie keine Erben, die unser Engagement aufgreifen und fortführen wollten. Seit 1990 war ich als Pfarrer in der Gemeindearbeit tätig, die ebenfalls zunehmend von Überalterung, Schwächung, Rückgang bestimmt war. In den Pastoralteams von Utrecht und Arnhem erlebte ich, dass die noch bestehenden kirchlichen Strukturen zwar nicht gleich verschwanden, sich aber in groß angelegten Fusionsschritten viel schneller und raumgreifender verflüchtigten, als wir uns das je hatten vorstellen können. Trotzdem, auch wenn so viele Erwartungen sich nicht erfüllt haben, erscheinen mir meine Jahre in den Niederlanden als eine gute, eine reiche Zeit. Oft habe ich mich in diesem schönen Land wohlgefühlt. Begegnungen beschenkten mich, in Lebenszusammenhänge vor Ort wurde ich aufgenommen und einbezogen, habe dort meinen Platz gefunden, gehörte und gehöre zu einem Netz vielfältiger Verbundenheit. Es wurde im Sprechen und Singen geknüpft, beim Zuhören und beim „Platznehmen im Loslassen“ während der Meditation. Wie sehr die jeweilige Weltsicht vom eigenen Standort bestimmt ist, wurde mir gleich am Anfang deutlich, als ich im Herbst 1989 den Fall der Berliner Mauer und die davon ausgelösten Entwicklungen mit den anderen Mitgliedern der Kommunität in niederländischer Berichterstattung und Kommentierung vermittelt bekam. Die meisten Niederländer in meiner Umgebung reagierten mit Zurückhaltung und einem eher skeptischen Interesse. Schon vor und auch wieder nach den traumatischen Erfahrungen während der deutschen Besatzung (1940 - 1945) hatte es Irritationen unterschiedlichster Art gegeben, die Niederländer zu Unbehagen und Vorbehalten gegenüber dem großen Nachbarn im Osten veranlassten. Dessen Gewicht nahm durch die Wiedervereinigung noch erheblich zu. Die Dominanz der deutschen Politik in Europa, die auch vor der Wende schon als befremdlich erfahren worden war, bleibt bis heute für viele Niederländer ein Problem.
„Zeg het in het Nederlands!”
Meinen deutschen Akzent habe ich nicht ausmerzen können, und meine Sprachkompetenz ist im Deutschen immer noch größer. Nun habe ich aber seit 24 Jahren hauptsächlich niederländisch gesprochen und auch meine meisten Texte in dieser Sprache geschrieben; dadurch ist meine zweite Sprache mittlerweile doch zur ersten, zur nächstliegenden geworden. Eine Folge davon ist: Meine Muttersprache gebrauche ich nicht mehr mit der früheren selbstverständlichen Geläufigkeit. Im Niederländischen stoße ich aber auch noch oft an meine Grenzen, besonders in der spontanen wörtlichen Rede und in lebhaften Gruppengesprächen – umso mehr, wenn Müdigkeit mir zu schaffen macht. Gleich zu Anfang in Utrecht erfuhr ich überrascht und erleichtert, dass ein Gemeindemitglied, ein ehemaliger Stahlarbeiter, solche Defizite sogar als erfreulich empfand. Bisher, sagte er, waren die Pfarrer ihm beim Reden immer weit überlegen; oft fühlte er sich abgehängt, dass hatte ihn manches Mal geärgert; bei mir war das glücklicherweise ganz anders. Zu überraschenden Entdeckungen kam und kommt es, wenn ich die seit Kindertagen vertrauten Texte der Bibel niederländisch höre oder lese. Wenn ich zu einer Bibelstelle etwas sage und dies, vom niederländischen Text ausgehend, in dieser Sprache tue, kommt ein anderer Gedankengang zustande, als wenn derselbe Text in deutscher Fassung mein Ausgangspunkt ist. Ich war mir vorher nicht bewusst, dass die jeweilige Sprache in der Auslegung eine so große Rolle spielt, so viel zu sagen hat. Auch hier bewahrheitet sich die Einsicht im Talmud, die der vor hundert Jahren geborene Spiritual Johannes Bours (1913 - 1988) seinem geistlichen Lesebuch als Titel mitgegeben hat: „Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt“.
Schatten – nicht nur der Vergangenheit
In der Münsterschen Studentengemeinde haben wir uns oft und intensiv mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen befasst. In Utrecht, Arnhem und anderswo habe ich in vielen Gesprächen wahrgenommen, wie die fünf Jahre unter der deutschen Gewaltherrschaft erlebt, erlitten wurden und nachwirkten. Wenn ich in Gesprächen die Folgen wahrnahm, musste ich mich oft fragen: Dauert er so lange, der Krieg, immer noch? Meist war ich der erste Deutsche, dem die Betroffenen davon erzählten, in ihrer eigenen Sprache. Wenn wir uns gut kennen gelernt hatten und ein vertrauterer Umgang miteinander möglich war, konnten Niederländer mir gelegentlich sogar sagen, dass und in welcher Hinsicht Probleme mit Deutschen auch im Verhältnis zu mir eine Rolle spielten oder gespielt hatten. Den Juden bin ich ein Jude geworden, konnte Paulus von sich sagen, den Griechen ein Grieche, den Schwachen ein Schwacher, allen bin ich alles geworden (vgl. 1 Kor 9,20-22). So weit habe ich es nicht gebracht. Bis 1995 hat mich die Frage noch beschäftigt, ob ich den Niederländern ein Niederländer werden und mich von meiner deutschen Staatsangehörigkeit verabschieden sollte. Diese Möglichkeit sprach mich aber im Laufe der Zeit immer weniger an – nicht nur deshalb, weil das gesellschaftliche, politische und kirchliche Klima im Land sich während den vergangenen zwanzig Jahre in einer Weise änderte, die mir weniger zusagte. Wichtiger war eine andere Wahrnehmung. Ich habe in Utrecht und Arnhem deutlicher gespürt – je älter ich wurde, desto mehr –, wo ich herkomme, wie mich das geprägt hat. Diesen Faden möchte ich jetzt, am Beginn meines achten Lebensjahrzehnts, wieder aufgreifen; und glücklicherweise können sich ja bei der Rückkehr ins Westfälische noch neue Chancen ergeben, meinen Bezug zum Königreich im Westen weiterzuentwickeln.
„De Nederlandse kerkprovincie“
Die Ausstattung der niederländischen Kirche bleibt weit hinter dem deutschen Standard zurück. Kirchliche Einrichtungen und ihre Stellenpläne, Gebäude und ihr Zustand sind mit deutschen Verhältnissen nicht annähernd zu vergleichen; die viel geringeren finanziellen Mittel zwingen zu immer neuen Sparanpassungen. Dafür tragen, anders als in Deutschland, die Gremien an der Basis in den Pfarrgemeinden die Hauptverantwortung. Die Niederlande sind viel weitergehend entkirchlicht, als das in großen Teilen der Bundesrepublik der Fall ist. Vor 25 Jahren hatte ich gedacht, dass ich in Utrecht und Arnhem erfahren würde, wie in einem säkularisierten Umfeld neue Gestalten kirchlichen Lebens kreativ entworfen und unternehmungslustig aufgebaut werden könnten. Damals gab es dazu sicher Ansätze; schade, dass viele Chancen sich nicht entfalten konnten. Mittlerweile stellen sich aber auch andere Aufgaben. Gerade im letzten Jahrzehnt sind religiöse Verhaltensweisen und Erwartungen aufgetaucht, es haben sich Frömmigkeitstypen ausgeprägt, die keine Affinität mehr haben mit den Leitideen, die in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufkamen und viele faszinierten. Dieser veränderte Kontext zeigt sich mir in Gesprächen mit Brautpaaren und mit den Eltern, die ihre Kinder taufen lassen, aber auch in der am besten besuchten sonntäglichen Eucharistiefeier in unserer Sint Eusebiusparochie. Sie findet in der populärsten katholischen Kirche Arnhems statt – groß, neugotisch, dem hl. Martinus geweiht. Diese Sonntagsfeier nenne ich gern unsern buntesten Gottesdienst; denn bei keiner anderen gemeindlichen Zusammenkunft kommen so viele verschiedene Hautfarben zusammen. Beim Kommunionausteilen treten oft zehn, fünfzehn Personen hintereinander nach vorn, die nicht von europäischen Eltern abstammen. Bei den Akteuren im Chorraum ergibt sich immer wieder das folgende Bild: der Zelebrant ist europäisch, aber nicht unbedingt Niederländer. Die Messdiener, junge Männer Anfang zwanzig, haben indische, chinesische, polnische und russische Vorfahren. Diese weltkirchliche Vielfalt kommt u.a. dadurch zustande, dass in der Feier auch die lateinische Sprache ihre Rolle spielt, vor allem in Gesängen, und dass die Liturgie klassisch, rituell-feierlich, gestaltet ist; auch der Weihrauch fehlt nicht. Als ich vor zehn Jahr zum ersten Mal in diesem Rahmen amtieren sollte, fühlte ich mich zuerst etwas unwohl; das änderte sich aber bald. Der Hauptgrund war: Ich lernte Menschen kennen und schätzen, deren Lebenswege ganz anders verlaufen sind, als das bei mir der Fall war. Aber trotz der biographisch bedingten Unterschiedlichkeit unserer Lebenssicht und unserer Glaubensprofile fanden und finden wir doch, angenehm überrascht, in der Feier der Liturgie einen Raum, in dem wir eine gewisse Gemeinsamkeit erleben und sogar füreinander ermöglichen und gestalten. Das ist noch nicht viel; wenn es dabei bliebe, wäre das zu wenig. Aber die Chance, es dabei nicht zu belassen, ist ja gegeben, ansatzweise nutzen wir sie schon. Die Erfahrung, miteinander Liturgie zu feiern und dabei eine Verbundenheit zu erfahren, erweist sich dann als Initialzündung, als Aufforderung, auch in anderen Lebensbereichen Glaubensgefährten zu sein. Nein, das ist nicht leicht, und gelegentlich misslingt der Versuch. Immerhin, seit mehr als einem Jahr steht in der Liste der Themen, die wir in unserem Pastoralteam bald einmal besprechen wollen, die Notiz: „In unserm Hauptgottesdienst am Sonntag begegnen uns viele Menschen mit Migrationshintergrund; was ergibt sich daraus für uns als Gemeinde?“ Bisher haben wir einen Antwortversuch auf diese Frage noch nicht zustande gebracht. Wir können eine Reihe Entschuldigungen anführen, z.B. diese: Die Aufmerksamkeit und vor allem auch die Ressourcen der pastoralen Mitarbeiter/innen sind derart auf den Abbau der bisherigen volkskirchlichen Überkapazität bezogen und hier gebunden, dass für prospektive Überlegungen und Entwürfe kaum noch freie Kapazitäten verfügbar sind. Ich erinnere mich noch gut, wie erschreckt eine Gruppe deutscher Kollegen vor zwanzig Jahren in Utrecht reagierte, als ich meine Aufgabe im Blick auf die bisherige kirchliche Organisationsstruktur als Sterbebegleitung charakterisierte. In unserm Arnhemer Team fühlen wir uns entlastet, es geht uns besser, seit wir die Furcht vor dieser Perspektive und den daraus sich ergebenden Aufgaben überwunden, uns damit sogar angefreundet haben.
„Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht“
(Wilhem Müller, Franz Schubert)
Seit ich in die Niederlande kam, tauchte es von Zeit zu Zeit auf, ich habe mich gern daran erinnert: Das Lebensideal der iroschottischen Wandermönche, „peregrinatio religiosa“. Sie fühlten sich gedrängt, um der Liebe Christi willen in fremden Ländern Fremdlinge zu sein. Für mich war das nicht annähernd so strapaziös und riskant wie für diese fernen Vorläufer. Allenfalls ergab sich für mich diese abgemilderte Form: Fremdheit, Befremden aushalten; aber auch: Fremdheit, Befremden zumuten. Und im besten Fall entdecken: Fremdheit und Vertrautheit – diese beiden Empfindungen müssen sich nicht ausschließen, können friedlich koexistieren. Gerade Fremde können, ohne dass sie den Abstand der Fremdheit überwinden oder ausschalten könnten, in ihren Begegnungen von etwas Unerwartetem überrascht werden – dann kann sich ein ganz besonderes Einverständnis einstellen. Obwohl Unterschiede und die Spannungen, die damit einhergehen, bestehen bleiben und weiterhin Mühe machen, entsteht eine ganz eigene Verbundenheit miteinander. So etwas, eine solche Vertrautheit, werden die Sesshaften, die vornehmlich oder ausschließlich im Umgang mit Gleichgesinnten ihr Heil sehen, nie erleben. Die letzte Hochzeit, die ich Anfang August in Arnhem mitfeiern werde, bereite ich gerade mit Brautleuten vor, die, obwohl sie nicht einmal halb so alt sind wie ich, schon viel mehr Fremdheit und Befremdliches über sich ergehen lassen mussten als ich. So fromm, wie sie ihren Glauben in Gebet und Gottesdienst vollziehen und erleben, so fromm, wie sie sind – auch in dieser Hinsicht unterscheiden wir uns sehr. Aber sie meinen nicht nur, dass ich in ihrer Hochzeitsfeier ihr Priester sein kann, sie wünschen es sich auch. Olya ist in Alma Ata geboren, Dmitriy in Samarkand. Ihre Kinder werden wahrscheinlich Niederländer sein – aber nicht nur das. Ihnen wird die Chance in die Wiege gelegt, sich nicht nur mit einer einzigen kulturellen und nationalen Kultur zu identifizieren. Ach, ist der Raum, der für diesen Artikel zur Verfügung stand, schon ausgeschöpft? Schade, ich habe noch gar nicht von besonderen Anlässen erzählt, habe noch gar nicht aus Predigten zitiert, die ich dabei halten durfte – drei will ich noch gern nennen:
- „Evensong“ am 13. Mai 2001 in der anglikanischen Gemeinde in Croydon, England, einer Partnerstadt Arnhems
- Gedenkfeier am 29. September 2004 zum sechzigsten Jahrestag der Evakuierung Arnhems im Herbst 1944
- Besuch von vier Mauritzer Franziskanerinnen aus Münster, die ich im Oktober 2012 nach Arnhem einlud. Siebzig Jahre, von 1878 - 1947, hatten Frauen ihrer Gemeinschaft den Pflegedienst im katholischen Krankenhaus „Elisabeth Gasthuis“ in Arnhem geleistet. Zwei Jahre nach dem Ende der deutschen Besetzung mussten sie mit schwerem Herzen gehen – eine eigene Geschichte, komplex und spannend; sie wäre es wert, noch näher untersucht und kompetent dargestellt zu werden; daran wollte ich vor meinem Weggang noch einmal erinnern.
Ludger, Mann unterwegs
Der erste Bischof von Münster war aus den Niederlanden gekommen. Ostern 2004 begann auf meine Anregung hin in Utrecht eine Stafette, die eine Ludger-Kerze nach Münster brachte, wo im Jahr 2005 der zwölfhundertste Jahrestag seiner Bischofsweihe gefeiert wurde. Mit meinem Text über diese Gründergestalt möchte ich meinen Rückblick abschließen. Der Groninger Bischof Gerard de Korte hat dieses „säkulare Gebet“ ausgesprochen, als am 29. März 2009 in Den Elter bei Zutphen ein Ludgerdenkmal am Ufer der Ijssel enthüllt wurde.
Ludger, Mann unterwegs, Vorläufer aus ferner Vergangenheit!
Nahe am strömenden Wasser begegnest du uns, bringst uns zum Stehen.
Dieses Gedenkzeichen, kräftig und haltbar, Wind und Wetter kann es trotzen,
erinnert an dich, den bewegten Mann, Zeuge der neuen Schöpfung.
Getrieben warst du, entflammt von dem Aufruf, der Stimme:
“Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen,
Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!” (Lk 12,49).
Ludger, Mann unterwegs, Vorläufer aus ferner Vergangenheit! Hier setztest du über.
Die IJssel, Grenzfluss in deiner Zeit, markierte die Scheidung der Geister.
Hinter dir lag die bekannte Welt, vertraut und sicher,
da kamst du her, da war dein Zuhause.
Aber du musstest, du wolltest Fremder sein, Botschafter der größeren Liebe.
Die schätzt alle, alle erfüllt sie mit Leben, bis an die Grenzen der Erde,
bis zum Ende der Welt (Mt 28,20).
Ludger, Mann unterwegs, Vorläufer aus ferner Vergangenheit! Sie haben dich
ortskundig gemacht, die gefährlichen Reisen auf unbekannten Wegen.
Du konntest nicht Eroberer sein, der alle überwältigt, auf alles seine Hand legt;
die gute Nachricht, die du bringst, spricht eine andere Sprache.
Das verheißt so viel: Das Ende von Feindschaft, Krieg und anderer Gewalt.
Es verkündigt den Bund mit Israel, dem Gottesvolk,
und die Worte, die Taten Jesu, die Befreiung durch seinen Geist.
Ludger, Mann unterwegs, Vorläufer zu einer fernen Zukunft!
Du hast dich ihm angeschlossen, und das Wort seiner Anhänger gilt auch für dich:
“Hier haben wir keine Stadt, die bestehen bleibt,
sondern wir suchen die künftige” (Hebr 13,14).
So viele verlangen, so viele suchen Gottes Zukunft,
die Frucht der Gerechtigkeit, den Frieden.
So viele Menschen guten Willens: Bestimmt, das haben wir auch dir zu verdanken.
Heinz-Georg Surmund
Mit leichten Textanpassungen veröffentlicht in:
Pax-Christi-Korrespondenz 2013
Geist und Leben, 86/3 (2013) 312 - 318
Heinz-Georg Surmund: "Martin Luther"
Lezing op 4 oktober 2017, Walburgiskerk, Arnhem
Preken en teksten
"Und eine Zeit, in die Niederlande zu gehen ..."
28. Oktober 2012, 30. Sonntag im Jahreskreis, Elisabeth Gasthuis, Arnhem
04. Mai 2007, Dodenherdenking, Velp - Nederlands/Deutsch
25. September 2004, 60 Jahre Evakuierung Arnhems - Nederlands/Deutsch