Greven, St. Josef und St. Martinus, 17.11.
33. Sonntag i.Jk. 2024
Eröffnungswort
Guten Abend/Morgen! … Danke für diesen Auftakt, die gegenseitige Begrüßung als Anfang unserer Eucharistie!
Wir feiern sie im Namen des Vaters, …
Wir begehen heute unser Patronatsfest. Da geht es um Zweierlei: Um den heiligen Martin und um uns, um diese Gemeinde in unserer Stadt, die sich nach ihm benennt. Als er im Jahr 397 starb, im Alter von 81 Jahren, konnte niemand wissen, wie lebendig die Erinnerung an ihn bleiben würde durch alle Jahrhunderte hin – bis zum heutigen Tag und sicher noch weit darüber hinaus. Auch St. Martinus Greven, die unübersehbare Schar der Menschen dieser Gemeinde, ihr zugehörig nicht erst seit gestern, hat dazu beigetragen.
Das Morgenland – wie hat mich dieses Wort schon als Kind fasziniert! Aber dann habe ich kein einziges Land im Nahen oder im Fernen Osten besucht. Das werde ich auch nicht mehr tun. Es ist gut so.
Denn unser Glaube sagt uns ja: Ihr lebt nicht nur im Land von gestern oder im Land von heute. Ihr seid unterwegs zum Land von Morgen. –
Ja, dieses Land lobe ich mir: Das Land von morgen.
Hier, beim Zusammenkommen um den Tisch Jesu, öffnet nicht nur ein Land von Morgen bereitwillig seine Grenzen. Nein, es sind gleich drei:
Das Morgenland der neuen Schöpfung. Das Morgenland der Auferweckung. Das Morgenland des Gottesreichs in Gerechtigkeit und Frieden. Die Anziehungskraft dieser drei Morgenländer will uns hier jetzt neu erfassen. Wir öffnen uns dafür, wenn wir beten: Herr, erbarme dich unser!
Predigt
(Daniel 12,1-3; Psalm 16,5.8-11; Hebräer 10,11-14.18; Markus 13,24-32)
Michael, der große Fürst – der hat mich schon als Junge begeistert. Und als Messdiener in der Pfarrkirche meines Heimatdorfes – wurde ich da nicht schon darauf vorbereitet, zum hochherrschaftlichen Gefolge dieses Erzengels zu gehören, zu Michael, dem großen Fürsten? Ach, wie der schaltete und waltete! Den Feinden gebot er Einhalt, setzte sie außer Gefecht mit seinem bloßen Namen. Der bedeutet ja, der stellt diese Frage: „Wer ist wie Gott?“
Großer Fürst – Jesus war das nicht. Denn anders als Engel und Erzengel war er ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Geburts- und Sterbedatum. Auch viel Zeit war ihm nicht vergönnt. Schon in jungen Jahren ist er untergegangen im Getriebe seiner Tage. Im Gegeneinander von Machtinteressen, von Intrigen und Gleichgültigkeit kam er unter die Räder.
Aber immer noch steht er auf, geht auf in den Herzen. Auch uns erscheint dieser Morgenstern einer Hoffnung, die nicht von dieser Welt ist.
Dieser am Kreuz Hingerichtete – ihn hat viel mehr als alle Engel und Erzengel zusammen die Kraft des lebendigen Gottes erfüllt. So kann er die Schöpfung und auch uns Menschenkinder begleiten und beschützen – sogar auch in Zeiten der Not, wie noch keine da waren, „seit es Völker gibt“ (Daniel 12,1).
Jeden Sonntag feiern wir die Auferweckung Jesu. Dazu kommen auch wir zusammen, damit wir erfasst und gepackt werden von der rettenden Kraft Christi, damit der Ruf uns aufweckt, wie er im Brief an die Epheser (5,14b) aufgezeichnet ist: „Wach auf, du Schläfer, / und steh auf von den Toten / und Christus wird dein Licht sein“. (Vorgesungen mit HGS-Melodie)
Aber eine Lichtgestalt bin ich trotzdem nicht? Oft genug gleiche ich eher einem Schatten als einem Scheinwerfer. Euch, Schwestern und Brüder, geht es wahrscheinlich ähnlich. Aber Moment mal! Schattengestalten – die sollten wir nicht unterschätzen! Wenn uns die Augen dafür aufgehen, können wir entdecken: Letztlich sind auch sie, Schatten, Zeugen des Lichts. Auch sie, wie trübe sie erscheinen mögen, sind Akteure in einem wunderbaren Schauspiel. Gäbe es sie denn ohne Licht? Diesem ersten Geschöpf Gottes verdanken sie ihr Dasein, das Licht ist ihre Quelle. Wenn Schatten auch Schatten bleiben – im Schimmer, der keinem Schatten fehlt, beseelt das Licht auch ihn, bleibt ihm verbunden. Wer genau hinsieht – nein, wer gut sieht, mit dem Herzen – dem werden auch, dem werden sogar die Schatten „glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste, … wie die Sterne für immer und ewig“ (Daniel 12,3). Das ist das Ziel, darauf läuft alles hinaus. Das ist dem Propheten Daniel in einer seiner Visionen aufgegangen: „Glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste, … wie die Sterne für immer und ewig“.
Eine solche Zuversicht muss Jesus erfüllt haben, als er sagt: „Meine Worte werden nicht vergehen“ (Markus 13,33b). Diese Äußerung ist so verwunderlich, weil er ihr ein ganz andere vorausschickt. Vor seiner Zusage „meine Worte werden nicht vergehen“ hat Jesus uns dies angekündigt: „Himmel und Erde werden vergehen“. Und er ist sich bewusst, das verschweigt oder beschönigt er nicht: Bei diesem Vergehen, bei diesem Untergang von Himmel und Erde bricht der Gräuel der Verwüstung (Markus 13,14) los. Schreckenstage, wie es sie seit Anbeginn nicht gegeben hat, überfallen die Menschen. Und schließlich, sagt Jesus, schließlich wird die Sonne verfinstert werden, der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden (Markus 13,24-25).
Dass es Jesus wagt, sich all dem zu stellen, es so zu benennen! Aber dabei belässt er es nicht. Gerade noch haben ihn diese fruchtbaren Erwartungen heimgesucht und bedrängt. Dann jedoch regt sich in seinem Geist, in seiner Seele „ein sanftes, leises Säuseln“ (1 Könige 19.12). So etwas wie ein Frühlingserwachen. So zart es erscheint – zugleich und vor allem ist es dies: Erhaben, kraftvoll, unbesiegbar. Auch wir sollen uns darüber wundern, daran freuen. „Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum!“, sagt Jesus. „Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So erkennt (doch HGS) auch, wenn ihr all das Schreckliche „geschehen seht, dass er nahe vor der Tür ist“ – der Menschensohn, sein Kommen „mit großer Kraft und Herrlichkeit“ (Markus 13,28-29).
Zweige werden saftig, treiben Blätter – was sich darin zeigt, das gilt immer, währt immer: Gott rettet. Das ist das Erste, das Letzte und alles, was dazwischen liegt. Gott rettet. Das ist die Zukunft, die bleibt.
Das Frühlingserwachen Gottes unter uns Menschen – gerade konnten wir uns wieder daran erinnern, wie das im Patron unserer Gemeinde erschienen ist. Martin, der zuerst Soldat war, wurde Christ, dann Mnch, schließlich noch Bischof. Wie hat er sich für Jesus begeistert. Oder war es umgekehrt: Wie hat er sich von Jesus begeistern lassen? Martins langes Leben – da gibt es Vieles, was überliefert wird, weil es Menschen beeindruckt hat. Aber die eine Szene, eigentlich nur ein paar Augenblicke, die ist in der Erinnerung am lebendigsten geblieben. Da geht es um eine spontane Geste, Martins Geschenk, hoch vom Pferd herab, der halbe Mantel für den frierenden Bettler. Auch dieses Geschehen ist und bleibt Gottes Frühlingserwachen mitten in der Winternacht. Da wurde er saftig und trieb, dieser junge Zweig, Martin. Und er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal getauft.
Alle Menschen sind eben Lichtblicke, Lichtblicke Gottes.
Ganz besonders die Menschen im Dunkel, die Angst und Not teilen.
Zum Friedensgruß
„Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen (Markus 13,31).“ – Ja, Schwestern und Brüder: Wir vergehen, sind vergängliche Wesen. Ja, das gilt für jede, für jeden von uns. Gelegentlich sollte ich mir das sagen, laut und deutlich: Ich vergehe, bin ein vergängliches Wesen.
Aber wie wunderbar! Sogar mein, sogar unser Vergehen kann dazu beitragen, dass dieses Wort Jesu von Himmel und Erde, die vergehen, und seinem Wort, das nicht vergeht, nicht untergegangen ist und nicht verschwinden wird. Weil es ständig empfangen und weitergegeben wird. Weil auch wir das können und möchten. –
„Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch!“
Schlusswort
Manchmal, gerade im November, gibt es zwischen Morgen und Abend kaum Sonnenschein, oder auch gar keinen. Auch wenn ein Tag nicht mehr zustande bringt als dies: Nur so vor sich hindämmern, als Schatten seiner selbst. – Auch ihm, dem Schatten, hat die Sonne ihr Licht nicht verweigert. Sonst gäbe es ihn ja gar nicht.
So und auf viele andere Weisen segnet uns der allmächtig barmherzige Gott, …
Heinz-Georg Surmund