Greven, St. Martinus, 19.05.
Pfingsten 2024
Einführung
Vielleicht dürfen wir hier heute Morgen wohl etwas stolz sein. Nicht nur auf uns als Einzelne. Sondern vor allem: Wir bilden zusammen eine richtig schöne Pfingstgemeinde. Das Bild, das ich vor Augen habe – schade, dass es nicht alle in unserm hohen, weiten Kirchenraum so überblicken können, wie ich von hier aus.
Wir feiern Pfingsten, Fest des Gottesgeistes. Ihm, dem Gottesgeist, verdanken wir alles – zuerst und zuletzt unser Dasein, uns selbst. Er, dieser Geber alles Guten, begegnet uns auch, wenn wir uns jetzt im gesungenen Kyrie seiner Barmherzigkeit anvertrauen.
Predigt
(Apostelgeschichte 2,1-11; 1 Korinther 12,3b-7.12-13; Johannes 20,19-23 oder Johannes 14,15-16.23b-26)
Die Vorbereitung meiner heutigen Predigt: Diesmal begann die mit einem Selbstgespräch. Ich fragte mich: „Pfingsten, Fest des Geistes. Ob ich die Gemeinde wohl begeistern kann?“ „Hör mal, Alter!“, fiel ich mir gleich ins Wort, „übernimm dich nicht! Und übrigens, die Gemeinde begeistern: Das brauchst du doch gar nicht!“ „Das brauche ich nicht?“ „Nein, sie ist es ja längst!“ „Begeistert, und von wem?“ „Von ihm, der Lebenshauch ist, der Leben gibt, Schöpfer von Himmel und Erde“.
Tatsächlich, Begeistert-Sein: Da ist niemand von uns leer ausgegangen. Und wir verdanken es Gottes wunderbarer Schöpferkraft, dass wir, jede und jeder hier, uns heute, am Fest seines Geistes, darüber freuen können: Ja, begeistert sein, das habe ich schon erlebt. Vielleicht nicht oft und nicht lange genug.
Wenn ich mich erinnere, wofür ich mich begeistert habe – wo fange da ich an? Aber: Begeistert wofür – dabei bleibt es ja nicht. Noch schöner wird es, wenn ich frage: Wer hat mich begeistert? Dann tauchen Begegnungen auf, Gesichter, strahlende Augen. „Du begeisterst mich.“ Wie schön, das zu erfahren! Zumal das ja diese Kehrseite hat, ebenfalls wunderschön: „Ich begeistere dich“.
Gesagt haben wir so etwas wohl kaum einmal. War ja auch nicht nötig. Was wir erfuhren – das Wehen des Geistes – das sprach für sich. Begeisterungs-Funken von einem Du zum anderen – Gott Dank, da ist noch nicht aller Tage Abend!
Aber! – Ja, leider: Es gibt ein Aber. Und das wiegt schwer. Wir alle kennen auch dies: Nicht be-geistert zu sein, sondern ent-geistert. Kein Geschöpf auf dieser Erde hat mehr Grund als wir Menschen, sich an den Kopf zu fassen, sich vorzuhalten: „Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen?“ Und dabei, verlassen sein von allen guten Geistern, bleibt es ja nicht. Gleich folgt der nächste Schritt: Wir verbünden uns mit bösen Geistern. Je schlimmer, desto besser. Bis wir uns schließlich sogar für den Pakt mit dem Teufel begeistern können.
Schädigen, zerstören, töten, vernichten – auch hier haben wir Menschen es weit gebracht. Entsetzlich weit.
Trotzdem: Auch in diesem Frühjahr sind sie uns wieder begegnet, Menschen, besonders jüngere: Sie haben Besseres zu tun. Sie verlieben sich. Wenn ich das sehe, brauche ich nur einen Augenblick. Ein Moment im Vorbeigehen genügt, und ich weiß wieder: Verliebte Menschen: Wie schön ist das, und wie stark! Unschlagbar stark.
Ja, auch die Kerze hat keine Wahl. Die Flamme berührt ihren Docht, und dann brennt sie lichterloh. Wie umgewandelt. Noch viel mehr geschieht, wenn wir uns in Liebe füreinander begeistern. Nun ja, Feuer und Flamme.
Verliebt sein – verflixt, zu oft dauert das nicht lange. Aber es gibt Ausnahmen. Es gibt Menschen, die sich verliebt haben und verliebt bleiben. So ist es Jesus gegangen. Er ist zum Licht der Welt geworden, weil Gottes Liebe und seine Liebe ineinander aufgegangen sind. Eins geworden ohne jeden Vorbehalt. Das begeistert Jesus. Und deshalb begeistert er, bis heute, und weiterhin. So können auch wir uns zusammen mit Jesus an seinen Vater im Himmel wenden, können zu ihm sagen: Wie hast du dich begeistert für Deine Schöpfung, als die Erde wüst war und leer, und Finsternis über dem Abgrund lag. „Es werde Licht“. Niemand war dabei, als du es geschaffen hast. Aber du, der „jedes Herz erhellt“ (Gotteslob 344,2), du begegnest uns in jedem Atemzug. Nach unserer Geburt, als die Luft uns zum ersten Mal umspielte, umfing – da hat sie, die Luft, sich sogar gleich, ohne zu zögern, einatmen lassen. Seitdem flackert in uns auch die Wachflamme dieser Hoffnung: Wenn unsere Zeit vorbei ist, im Dunkel des Todes aufhört – dann wird uns erst recht aufgehen, ganz und gar: Auch die Finsternis ist für dich nicht finster, leuchtet wie der Tag. Ist dir, Ewiger, wie Licht (Ps 139,10c.11).
Ein Freund meldete sich wieder, nach längerer Zeit. Gleich gingen wieder einige Mails hin und her, aus Münster in Westfalen über den Ärmelkanal nach London. Probleme, Fragen und Sorgen hier wie dort kamen zur Sprache. Mehr noch zeichnete sich aber ab, was Freude gibt, Kraft und Motivation. So schrieb der Freund mir einen Satz auf, der ihm eingefallen war – eine Idee, die ihm persönlich recht gut gefiel. Das leuchtete mir ein. Mir ging es gleich ebenso. Und wir sind uns einig: Ob er allgemeingültig ist, dieser Gedanke, das braucht uns nicht zu kümmern. Er spricht für sich, und er sagt dies: „Der Sinn des Lebens ist es, die Güte des Kosmos zu erfahren“.
Sich darüber austauschen: Die Güte des Kosmos erfahren, das ist der Sinn des Lebens“ – darüber miteinander sprechen – schade, das geht hier jetzt nicht, in unsern Kirchenbänken, würde auch zu weit führen. Aber, die Güte des Kosmos: Wohl können wir versuchen, uns ihr jetzt anzunähern, uns ihr sogar anzuvertrauen, von neuem. Wir feiern sie ja, die Güte des Kosmos, hier in unserm Pfingstgottesdienst. Aber viel mehr noch ist sie, Güte des Kosmos, uns zugewandt. Das lässt sie sich nicht nehmen. Nichts und niemand kann sie davon abbringen.
Güte des Kosmos, die uns umgibt – dir verdanken wir, dass es das gibt in unserm Leben: Sich begeistern.
Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig dazu beglückwünschen?
Vielleicht sogar singend?
(V und A singen): Halleluja, Halleluja! (Gotteslob 174,8)
(V singt, psalmodierend:) Als kleine Kinder – / wie konnten wir uns da begeistern, / und haben es getan – / genauso wie alle, deren Leben jetzt beginnt!
(V summt): Halleluja … ! (Alle singen) Halleluja … !
(V singt, psalmodierend:) Verliebte – wie begeistern sie sich füreinander – / und damit gleichzeitig für die neue Schöpfung, / beseelt ist von Gottes Gerechtigkeit / geborgen in seinem Frieden!
(V summt): Halleluja! (Alle singen) Halleluja … !
(V singt, psalmodierend:) Sich begeistern lassen – / das bietet uns jeder Atemzug an. /
Ein Augenblick genügt, / mehr braucht es nicht.
(V summt): Halleluja! (Alle singen) Halleluja … !
Friedensgruß
Pfingsten hat Zungen gelöst – die Zungen von ratlosen Menschen, erstarrt wie sie waren in Trauer und Angst. Plötzlich können sie besser als je zuvor sich verständlich machen, sogar gegenüber Fremden aus fernen Ländern.
So wirkt Gottes Geist auch in unserer Welt – manchmal in aufsehenerregenden Zeichen, meistens aber in verborgenem Wachstum – wie beim Weizenkorn im Erdreich und bei der Rebe am Weinstock.
Schlusswort
Auch wenn uns keine Zungen wie von Feuer erscheinen – zweifle nicht daran: Die Wirklichkeit und die Wirksamkeit des Geistfeuers durchdringt und belebt alles. Nichts und niemand geht leer aus! Und bekämen wir davon nicht mehr als einen winzigen Funken – darin ist alles enthalten, Gottes ganze Fülle. Denn gerade dem Verborgenen, dem Unscheinbaren vertraut er, der Ewige, mit Vorliebe sein großes Geheimnis an: Sich selbst.
Sich begeistern lassen vom guten Gott – auch diese Begabung verdanken wir ihm. Und die Güte des Kosmos sowieso.
Heinz-Georg Surmund